This site will look much better in a browser that supports web standards, but it is accessible to any browser or Internet device.



AUTOR VON "HAHNENSCHREIE", "LIEBESBRIEF AN FREMDEN KÖNIG" UND SCHILLER-TRILOGIE ("STERNGUCKER ODER ...")



Aus

STERNGUCKER ODER DAS IDYLL EINES OBDACHLOSEN
Band 3: Kranichrufe

Va via !

Preisgekrönt "Bester Schüleraufsatz des Jahres" von Dennis Seiler, 12

Mein schönster Ferientag

Mein schönster Ferientag war diesmal ein Geschenk von meinem Opa. Er hatte wieder mal bei einem Quiz oder Preisausschreiben gewonnen, diesmal einen Cityflug nach eigener Wahl für zwei Personen. Weil ich da grade meinen 12. Geburtstag feierte, lud er mich als seine Begleitperson ein.

Na, da haben wir natürlich erst mal tagelang Stadtpläne gewälzt und ein Buch mit Satellitenfotos studiert, das mein Opa als Werbegeschenk von der Fluggesellschaft bekommen hatte. So konnten wir genau unterscheiden, wieviel da von den Plastikdepots der einzelnen Innenstädte schon abgefackelt ist oder wie hoch der Kunststoffpegel da überall noch steht.

Das sah schon auf diesen Fotos ganz toll aus, wie da einzelne Hochhäuser oder Kirchtürme aus den Müllhalden heraus ragen. Oder frühere Geschäftsviertel und Fußgängerzonen vor sich hin kokeln. Oft sind ja auch nur die Dächer verbrannt, und man kann aus der Vogelperspektive in ausrangierte Supermärkte, Kathedralen, Behördenkomplexe, Opernhäuser oder Einkaufspassagen wie in megamäßige Abfalltonnen hineinschauen, die keinen Deckel mehr haben und tierisch zum Himmel stinken müssen.

Aber supergeil sind auch all die zugemüllten Friedhöfe, die flächendeckend unter schwelenden Plastikschichten abgetaucht sind, aber noch mit einzelnen Monsterkreuzen oder sonstigen Oberteilen von Megamausoleen für echt betuchte Leichen daran erinnern, für welchen beknackten Luxus unsere Ahnen früher ihre Plastikdeponien verschwendet haben. Das ist schon geil.TOP

Nach langem Hin und Her entschieden wir uns für einen Rundflug über Rom. Ich wäre ja lieber über Tokio oder L.A. geflogen, aber der Klügere gibt halt heute nach. Mein Opa hat an Italien noch so nostalgische Memos aus seiner Jugendzeit und erzählt auch immer, daß das früher das schönste Land in ganz Europa war.

Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wenn man heute solch einen sight-seeing-Flug über diese total zugemüllte und vergammelte Gegend macht. Aber tatsächlich war es ja auch das erste Land, wo aus hygienischen oder gesundheitspolitischen Gründen jeder Anbau von Lebensmitteln radikal verboten wurde. Auch von Forstwirtschaft und Weinbau ist da nichts mehr zu sehen. Zumindest in Europa waren also diese Italiener echte Trendsetter mit ihrer künstlichen Ernährung, die sich nur noch auf Zäpfchen und Infusionen beschränkt. Das ist natürlich viel praktischer und rechnet sich auch.

Sogar in der globalen Statistik der angesagten Fäkalreduktionen stehen diese früher mal hemmungslosen Spaghettifresser jetzt mit ihren vorbildlichen Ausscheidungsdefiziten auf Platz 1 der Tabelle. Aber ihre Landschaft mit den vielen Entsorgungsgewässern ist touristisch natürlich im Arsch.

Jetzt dreht sich da der öffentliche und kommunalpolitische Streit um dieses nostalgische Rom, das die linken Parteien als ideales Abfalllager kultivie-ren, die rechten lieber zum nuklearen Beschuß freigeben wollen. Sie berufen sich dabei auf den Erfolg von Bombay und versprechen sich davon die Chance für einen echten Neuanfang.TOP

Mir persönlich geht dieses ganze Rom mit seinen Trümmern kulturhistorisch am Arsch vorbei. Natürlich habe ich vorher angemessen recherchiert. Also Forum Romanum, Petersdom, Kapitol und Spanische Treppe oder Kolosseum, Campo de’Fiori, Engelsburg und Adreatinische Höhlen: alles klar, no problem, why not.

Aber globale Märkte können sich in solchen Museen und Kapellen nicht entfalten, wenn da Kultur und Religion schon total entsorgt sind. Denn das meiste sind da sowieso nur Ruinen oder baufällige Abrißkandidaten. Aber nicht erst heute. Das berühmte antike Forum Romanum zum Beispiel diente Jahrhunderte lang schon den christlichen Baumeistern und Architekten als Steinbruch für ihre Neubauten. Das finde ich vorbildlich und prinzipiell nachahmenswert.

Denn als wir dann endlich im Tiefflug über diesem Rom unsere Kreise zogen, war von all den längst antiquierten Schätzen so gut wie nichts mehr zu sehen. Wo nicht schwarzer Rauch oder Industrie-Smog jede Sicht behinderte, waren nur stark vermüllte Trümmerfelder zu erkennen, von denen es gleichfalls sagenhaft qualmte.

Die Stewardess fragte dann, ob wir lieber eine Zwischenlandung mit kurzer Stadtrundfahrt wollen oder sofort wieder zurück. Ich war da der Erste, der spontan für den Heimflug votierte. Die andern schlossen sich dann hundertprozentig an wie eine Schafsherde.

Auf dem Rückflug wurde uns dann noch als Service der Fluggesellschaft eine Probeabstimmung angeboten, weil das gesasmteuropäïsche Referendum zur Weiterbehandlung dieses römischen Problems erst im nächsten Jahr zu erwarten ist.TOP

Mir war da sofort und ohne langes Überlegen klar, daß dieses Rom so bald wie möglich nuklear bombardiert und vernichtet werden muß. Anders wird man da den ganzen Unrat gar nicht mehr los. Aber man bekäme dadurch echt günstiges Baugelände für gigantische Quarantänestationen oder ganze Seuchengettos für die OIRU-Opfer. Ringsherum dann auch gleich noch die benötigten Megafriedhöfe.

Gottseidank war das auch die Meinung der Mehrheit in unserer Maschine – 85 : 13 %. Dieses Abstimmungsergebnis kam dann auch im Fernsehen. Das war ein schönes Feeling, an der Gestaltung unserer Zukunft persönlich beteiligt worden zu sein. Darum war dieser Ausflug auch mein schönster Ferientag.

Jetzt bleibt mir nur noch zu hoffen, daß sich nächstes Jahr wegen Rom auch alle andern Europäer so entscheiden wie ich. Dann könnte mit der nuklearen Entsorgung schon bald begonnen werden. Das wäre wirklich super.

Volltext im Internet über www.buchhandel.de

Illustration : Schiller Illustration : Schiller

Copyright-Hinweis: Die Inhalte dieser Seite sind urheberrechtlich geschützt. Eine private oder kommerzielle Verwendung dieser Inhalte (Bilder, Texte) erfordert eine ausdrückliche Genehmigung durch Moritz Pirol.