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“Sex ist keine Kindermachmaschine. Auch kein Privileg von Eheleuten.
Sex ist in Wahrheit was durch und durch Anarchisches, was Wildes: unberechenbar, unzähmbar, unregulierbar, ohne An- und Aus-Schalter, ewiger Wackelkontakt. Denn Sex ist eine Naturgewalt. Kommt und geht, wann sie will und wo sie will. Also natürlich auch wie sie will, wie lange sie will und bei wem sie will. Eine Heimsuchung: wie Dürre und Monsun, wie Niño und Tsunamis, wie Infektionen, wie Seuchen, wie En- oder Epidemieen, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Wie jähe Blitze. Wie Überfälle. Heuschreckeninvasionen. Unvorhersehbar und gnadenlos. Unabwehrbare, unentrinnbare Gewalttat: an uns allen, an jedem.
Irgend sowas ist Sex. Und natürlich noch sehr viel mehr, in jedem Falle anders. In zehn oder zahllose Gebote gar nicht einzusperren. Überhaupt nie zu fesseln. In bürgerlicher Ordnung auf Millimeterpapier schon gar nicht. Mit päpstlichen Bullen und getauften Polizisten auch in Jahrtausenden nicht. Kannst du mir noch folgen? Natürlich nicht. Hör mir zu, es ist lebenswichtig und könnte dich vor Katastrophen bewahren. Oder zu bewahren versuchen. Ach, ja!”
Moritz schwieg, aber Jankó spürte, daß da noch mehr kommen wollte, und erwartete es geduldig. Da kam es auch schon:
“Menschen begehren nicht lebenslänglich immer dieselbe. Oder denselben. Sie werden auch von andern Sonnen angesogen. Das wechselt. Bei manchem halt auch nicht. Aber bei vielen ja. Bei den meisten häufig. Wechselt bei denen unvermeidbar. Es wechselt und wechselt. Warum auch nicht? Das belebt sogar. Sogar sehr. Es animiert, es aktiviert. Es bereichert. Erweitert. Hilft weiterleben.
Aber so natürliche Lebenshilfe hat der Vatikan zur Sünde erklärt. Zu strafbarem ‘Ehebruch’.
Mutter Natur jedoch ist grenzenlos promisk.
Zwischen so unvereinbaren Polen wie Mutter Natur und Vatikan vermittelt unser Volksmund lebensklug und verharmlost die vermeintliche Sünde. Wie das? Als Seitensprung, Abenteuer, Affäre, Amour, Eskapade, Romanze oder Techtelmechtel. Ist alles dasselbe. Klingt aber längst nicht so schlimm wie Ehebruch und Sünde. Klingt auch viel verzeihlicher: wie alles Natürliche. Eigentlich entschuldbar, berechtigt und verständlich: also nachvollziehbar. Also nachahmenswert.
Denn vermeidbar ist es schwerlich je. Oder nur unter schrecklichsten Selbstverleugnungen und Verwerfungen. Oder Lügen. Meistens Lügen.
Das wußten die Menschen oder Völker schon seit Jahrtausenden, praktizierten es daher unausgesetzt so und schrieben es unabdingbar in ihren unvergänglichen Mythen fest. Die altgriechischen, die ägyptischen, die sumerischen, die babylonischen, die römischen Göttersagen bestehen vorwiegend aus längst und allseits verziehenen Seitensprüngen sogar ihrer Gottheiten, Götzen, Ikonen, Könige, Pharaonen, Heroen und sonstigen Ideale. Die alle begehrten und paarten sich ziemlich wahllos, querfeldein und ohne Ende, no problem. Sie dienten da als Projektionen des menschlichen Treibens, das sie eben hierdurch beispielhaft sanktionierten.
Zum Beispiel – nee, das führte jetzt viel zu weit. Es gäbe Millionen Belege dafür, lieber nicht!”
“Und zweitens?”
“Zweitens was? Ach so: ja, natürlich zweitens. Zweitens wußte und verheimlichte der Vatikan, daß Mutter Natur sich in ihrer Weitherzigkeit auch sonst niemals festlegen läßt: auch nicht auf Genitalien. Sie gewährt Begierden und Gelüste querbeet ohne Unterscheidung. Ob Mann oder Frau oder Tier oder sonstwas spielt für sie nicht die geringste Rolle. Sie weiß, daß im Eros ihres Weltreichs jede einseitige Fixierung immer nur lügt.”
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