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AUTOR VON "HAHNENSCHREIE", "LIEBESBRIEF AN FREMDEN KÖNIG" UND SCHILLER-TRILOGIE ("STERNGUCKER ODER ...")



Leseprobe 2 :
Aus "ALEXANDERKUCHEN", Seite 9 ff. (gekürzt) :

 

Der betende Klosterbruder beëndet seine Andacht. Er erhebt sich vor dem Bildhintergrunde eines ganzen Korridors voller hängender Mumiën und spricht jetzt mit freundlichem Lächeln direkt in die Kamera hinein:

Liebe Menschen,

ich bin der neue Papst. Ich heiße Foluke. Ich befinde mich hier in der Krypta unterhalb des Hochaltars im Kapuzinerkloster von Palermo.

Sie sehen mich in der Kutte eines Kapuzinermönchs. Kapuziner sind volksnahe Seelsorger ebenso wie wortgewandte Kanzelredner. Ihre sprichwörtlichen Kapuzinerpredigten rufen alle Verirrten oder Fehlgeleiteten zu Reuë und Buße oder Umkehr auf. Einem solchen Rettungs- und Sühnegeist muß seit der Amtsübernahme nun auch Unser eigenes unermüdliches Trachten gelten.

In diesem Sinne also stellen Wir Uns heute mit einer angemessenen Kapuzinerpredigt vor. Es ist die erste von drei geplanten Kapuzinerpredigten, aber keine Angst: diese Bußaufrufe werden nicht urbi et orbi, nicht der Gemeinde gelten, sondern der Kirche selbst, ihrer Führung, ihrer Geschichte, ihrer theologischen Schuld und ihrer häretischen Verblendung. Ihrem unverzeihlichen Sündenregister also.

Und all ihren Opfern. All den Hekatomben von Opfern des Christentums.

Liebe Menschen! Im Zentrum dieser

Ersten KapuzinerpredigtTOP

steht heute Unsre schuldbewußte Bitte um Vergebung. Sie ist an die ganze Menschheit der letzten anderthalb Jahrtausende gerichtet. Denn sie betrifft jenen maßlosen Machtmißbrauch, den unsre Kirche sich hat zuschulden kommen lassen. Zuschulden kommen lassen. Zuschulden.

Wir bitten um Vergebung für bestialische Kreuzzugsmassaker, brutalste Missionierungsgreuël, sogenannte Ketzer- oder Hexenverfolgungen, für sogenannte Autodafés und sonstige sadistische Hinrichtungen schuldloser Männer und Frauën in allen Ländern.

Und für das Leid all der mitbetroffenen Kinder.

Wir bitten um Vergebung für alle Brutalitäten der jesuïtischen Inquisition und deren diffuser Devise, daß ein guter Zweck alle Mittel heilige.

Der Papst hält kurz inne, kniet dann vor der Fernsehkamera nieder und spricht also aufwärts weiterhin in sie hinein:

Wir bitten um Vergebung für jede Form von Folterung, Gewalttat und Blutgeld, für Versklavungen und Leibeigenschaft, für Enteignungen, Ausbeutung, Diebstahl und Konfiskationen, für Urkundenfälschung, Erbschleicherei und Ämterhandel, für Wucherzinsen, Ablaßhandel und jeden anderen Betrug, für Korruption, Erpressungen, Nötigung, Mißbrauch, Heuchelei und Prostitution, für Lüge, Täuschung, falsch Zeugnis und Arglist,

am meisten aber für Raubmord, Justizmord und ganze Völkermorde – ja,

wir bitten um Vergebung auch für jegliches Komplizentum mit weltlichen Machthabern und deren inhumanen Machenschaften, überhaupt für jeden Rechtsverstoß und jedes Verbrechen, die der Heilige Stuhl verübt, veranlaßt oder geduldet hat. Denn Erklärungen für alles das gibt es nicht, mildernde Umstände erst recht nicht.

 

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